Die geplante Novelle des BauGB mit Fokus auf § 246e BauGB, dem „Bau-Turbo“

Die von der Bundesregierung im Jahr 2021 geplante Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) zur Förderung von Investitionen, Beschleunigung von Verfahren und Begrenzung von Baukosten hat große Erwartungen geschürt. Vor allem der als Bau-Turbo bekannt gewordene § 246e BauGB „Befristete Sonderregelung für den Wohnungsbau in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt“, ist äußerst umstritten. Nach dieser Norm soll in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt das Planungsrecht zu Gunsten von Wohnraum in den Hintergrund treten. Der Streit hat so weit geführt, dass § 246e BauGB im Referentenentwurf im Juli 2024 ersatzlos gestrichen wurde. In der Kabinettsfassung vom 4. September 2024 wurde der Bau-Turbo jedoch wieder nahezu unverändert aufgenommen. Das parlamentarische Verfahren soll Ende dieses Jahres abgeschlossen werden.
Im Folgenden wird die gesetzliche Intention hinter der Einführung des § 246e BauGB aufgezeigt sowie der Inhalt der Vorschrift und dessen Kritikpunkte dargelegt und bewertet.

Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware in Deutschland, jedoch in Zeiten von wachsender Wohnungsnot und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft zwingend notwendig.

Die Bundesregierung möchte die bestehenden Probleme durch eine Beschleunigung des  Bauverfahrens beheben. Hierzu müsse die Bürokratie abgebaut, Planungs- und Genehmigungsprozess beschleunigt, die Digitalisierung forciert und innovative Bauverfahren befördert werden. Diese Maßnahmen sollen durch eine Reform des Baugesetzbuches (BauGB) umgesetzt werden. Dies war bereits für das Jahr 2023 geplant. Allerdings sind die Beratungen der Bundesregierung zur Änderung des BauGB ins Stocken geraten. Am 4. September 2024 hat das Bundeskabinett eine Kabinettsfassung beschlossen. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis Ende 2024 abgeschlossen werden. Ob dieses Ziel erreicht wird, ist ungewiss, da im Bundestag die Grünen-Bundestagsfraktion ihre Zustimmung zum Gesetzesentwurf an gewisse Bedingungen (z.B. Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029) knüpft.   

Ziele und Inhalte der Baugesetzbuchnovelle sind die nachfolgenden Punkte:

  • Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung (u.a. Standardisierung der Umweltprüfung, Digitalisierung, Flexibilisierung beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan);

  • Erleichterung des Wohnungsbaus (u.a. Reform der Baunutzungsverordnung (BauNVO), Anpassung der TA Lärm, Vorkaufsrecht für langfristige Flächenbevorratung);

  • Klimaanpassungen – Transformationen für erneuerbare Energien (u.a. Aufnahme und Schärfung der Begriffe „Klimaschutz“ und „Klimaanpassung“);

Am meisten diskutiert wurde bislang die geplante Sonderregelung des § 246e BauGB für den Wohnungsbau, dem sog. „Bau-Turbo“. Der Bau-Turbo soll nach Ansicht der Bundesregierung und dem Bündnis bezahlbarer Wohnraum zu einem schnelleren, einfacheren Bauen führen und somit zu einer Beschleunigung des Wohnungsbaus.

Die geplante Sonderregelung des § 246e BauGB sieht vor, dass in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (§ 201a BauGB) von Regelungen des BauGB oder von aufgrund des BauGB erlassen Vorschriften in erforderlichem Umfang mit Zustimmung der Gemeinde abgewichen werden kann. Voraussetzung hierfür soll sein, dass die Abweichung unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:

  • die Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,

  • die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen werden oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder

  • die Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.

Die geplante Sonderregelung soll befristet bis zum Ablauf des 31.12.2027 gelten und wurde an die in § 246 Abs. 14 BauGB enthaltene Sonderregelung für Flüchtlingsunterkünfte angelehnt.

Mannigfache Kritik am geplanten § 246e BauGB

Die Bestrebungen der Bundesregierung, die Wohnungsnot durch eine Entbürokratisierung des Bauplanungsrechts zu bekämpfen, wurden in Fachkreisen begrüßt. Doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. So wurden Kritikpunkte an der geplanten Regelung von unterschiedlichen Interessensgruppen im Rahmen des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum herausgearbeitet.

Kritisiert wird vor allem die Laufzeit der Sonderregelung. § 246e BauGB soll nur bis zum 31.12.2027 gelten (im ursprünglichen Entwurf noch 31.12.2026). Bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Formulierung und Beratung dieser Vorschrift im Herbst/Winter 2023 wurde diese Frist als zu kurz angesehen, um nachhaltig den Wohnungsmarkt zu entspannen.

Manche Stimmen sehen zudem den Zweck der Sonderregelung, nämlich die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, nicht in der Norm umgesetzt. Der Anwendungsbereich des § 246e BauGB soll sich zwar auf angespannte Wohnungsmärkte erstrecken, auf die in der Regel die Mietpreisbremse Anwendung findet. Aber auch in solchen Gebieten gibt es Ausnahmetatbestände zur Mietpreisbremse, etwa für Neubauwohnungen ab dem 01.10.2014.

Andere sehen hingegen in der Beschränkung auf Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten eine Voraussetzung, die gerade nicht zur Planungsbeschleunigung für den Wohnungsbau beiträgt und zudem eine weitere Regelungshürde schafft. Denn hierzu müssen die Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten erst noch durch Rechtsverordnung von den Ländern festgelegt werden. Davon haben bisher noch nicht alle Länder Gebrauch gemacht– was in Kombination mit der zeitlichen Begrenzung der Norm zu einem noch erheblicheren Zeitfaktor führt.

Zudem wird vertreten, dass die Beschränkung der Norm ausschließlich auf Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten dazu führt, dass die geplanten Projekte aufgrund der ggfs. dort geltenden Mietpreisbremse teils wirtschaftlich gar nicht zu realisieren sind und somit durch die Regelung Wohnraum gerade nicht geschaffen wird.

Des Weiteren ist als einziges einschränkendes Element der Tatbestandsvoraussetzungen der geplanten Norm die Berücksichtigung der nachbarlichen Interessen und der öffentlichen Belange vorgesehen. Dies kann zu zwei diametrale Entwicklungen führen. Einerseits wird durch diese einzig vorhandene Einschränkung ein Einfallstor für so ziemlich jegliche Abweichung von einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und einem sparsamen Umgang mit Grund und Boden erwartet. Andererseits wird die Gefahr gesehen, dass sich die Entscheidungsträger restriktiv gegenüber einer ausufernden Ausnahmebebauung verhalten und in sehr vielen Fällen widerstreitende nachbarlicher Interessen oder öffentlicher Belange vorschieben würden. Konsequenz nach diesen Stimmen wäre, dass die Ausnahmevorschrift des § 246e BauGB zu einer unkontrollierten Gemengelage an Neubauten führen oder völlig ins Leere laufen würde.

Fazit

Der geplante § 246e BauGB wird bereits vor seiner Einführung als „Bau-Turbo“ tituliert. Zu begrüßen sind die damit verfolgten Zwecke und Ziele der Norm. Ob die Vorschrift diesem Namen aber überhaupt gerecht werden kann, bleibt fraglich. Zu lange dauert das gesamte Gesetzgebungsverfahren (einschließlich Beratung und Beschlussfassung) bereits an, zu kurz ist die geplante bzw. verbleibende Laufzeit und schließlich zu unbestimmt ist die Formulierung der Norm, die den relevanten Parteien (Planungsträger, Genehmigungsbehörden, Investoren, Bauunternehmen, Architekten, etc.) keine konkreten Regelbeispiele an die Hand gibt, wann ein Bauvorhaben nach § 246e BauGB zulässig ist und wann nicht bzw. in welchem Umfang von den Regelungen des BauGB abgewichen werden darf.

Eine genaue rechtliche Prüfung der Voraussetzungen des Bauprojekts sowie eine enge Abstimmung mit den Gemeinden und den Genehmigungsbehörden wird unerlässlich für eine erfolgreiche Umsetzung der Bauprojekte im Rahmen des „Bau-Turbos“ sein.

 

 

Authored by Leonie Hartmann and Dr. Dennis Rein.

 

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